Sie sind hier: Startseite / Wissenswertes / Suizidprävention / Wissenswertes / Und plötzlich ist alles anders … Umgang mit Krisen

Und plötzlich ist alles anders … Umgang mit Krisen

Krisen kommen meist plötzlich und reißen uns aus dem Alltag. Das kann Gefühle der Überforderung und Hilflosigkeit hervorrufen, was völlig normal ist.

Gleichzeitig können Krisen auch Chancen sein. Denn sie bieten Gelegenheit, neue Bewältigungsstrategien zu erproben und neue Lösungswege zu gehen. 

Wir planen unseren Alltag, unseren nächsten Urlaub, unser Leben. Es geht uns gut, der Weg ist klar. Wir fühlen uns auf sicherem Boden, sind gerüstet und auf Schiene für die Fahrt durchs Leben. Doch plötzlich kommt alles ganz anders: Der Verlust des Arbeitsplatzes, eine Krankheit, eine Aufgabe, die uns überfordert, Selbstzweifel, eine Trennung aus heiterem Himmel, Liebeskummer, ein Unfall oder der Verlust eines nahestehenden Menschen. „Ich hatte das Gefühl, jemand würde mir den Boden unter den Füßen wegziehen. Plötzlich war da nichts mehr, was mich hielt. Ich konnte nicht mehr denken, fühlen, ich war wie betäubt, nahm alles nur noch durch einen undurchdringbaren Schleier wahr.“ So beschreibt die 30-jährige Maria die Situation, als sie vom Unfalltod ihres Mannes erfuhr. Stunden davor war die Welt noch in Ordnung und plötzlich finden wir uns im luftleeren Raum wieder. Herauskatapultiert aus dem Alltag, in dem nichts mehr so ist, wie es war. Das macht hilflos, es überfordert und bringt uns an unsere äußersten Grenzen.

Niemand ist davor sicher

Die Psychotherapeutin und Buchautorin Verena Kast beschreibt eine Krise als „... etwas Heftiges. Wir merken, dass wir ein großes Problem haben und haben gleichzeitig den Eindruck, dass wir dieses große Problem nicht bewältigen können.“ Niemand ist davor sicher. Es kann jeden Menschen in jeder Lebenssituation treffen. Dabei sind es nicht nur die tragischen, traumatisierenden Situationen, die uns aus der Bahn werfen können. Oft sind es einfach die Veränderungen, die das Leben mit sich bringt und die uns verzweifeln lassen: Die Pubertät, die Geburt eines Kindes, Heirat, die Beförderung, der Arbeitsplatzwechsel oder ein Wohnortwechsel. Manchmal sind es auch einfach die Fragen: „Was gibt meinem Leben eigentlich ‚Sinn‘? Lebe ich das Leben, das ich mir immer gewünscht habe?“

Was passiert in der Krise?

In einer Krise sind wir plötzlich mit Herausforderungen konfrontiert, in denen unsere bisherigen Lösungsstrategien nicht mehr greifen. Gefühle wie Ohnmacht, Wut, Angst, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Unsicherheit und Trauer wechseln sich ab – eine regelrechte Achterbahnfahrt der Gefühle beginnt. Die Frage nach dem „Warum“ ist ständig präsent. Wir wollen unser Schicksal nicht wahrhaben, können es nicht annehmen. Im Idealfall führt der Weg dann aber langsam wieder aus der Krise heraus. Es beginnt die Verarbeitung und es wird nach Lösungen Ausschau gehalten – nach neuen Perspektiven und Lebenswegen. Auch wenn Krisen uns vor große Herausforderungen stellen, bieten sie Gelegenheit, neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln und neue Lösungswege zu finden. Gelingt dies und ist die Krise überstanden, setzt oft die Erkenntnis ein, dass die Überwindung nicht nur Energie gekostet, sondern auch einen Lernprozess ausgelöst hat. Der überstandene Schicksalsschlag macht auf Kräfte aufmerksam, die in einem stecken. Man spürt seine eigene Wirksamkeit und das wiederum stärkt den Selbstwert. Finden Menschen jedoch nicht aus der Phase des Verleugnens, der Ohnmacht oder der Hilflosigkeit heraus und dauert dieser Zustand zu lange an, kann das zu ernsten psychischen und körperlichen Problemen führen.

Junge Menschen besonders betroffen

Vor allem für Kinder und Jugendliche stellen Krisensituationen, wie der Tod eines nahen Angehörigen oder Freundes, chronische Erkrankung der Eltern, Trennung, Liebeskummer, Ausgrenzung, Konflikte in der Familie oder Schule eine große Überforderung dar. Oft fehlen ihnen die Worte, die Bewältigungsstrategien sowie die Vorerfahrungen, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Der 16-jährige Julian beschreibt seinen ersten Liebeskummer so: „Der erste Liebeskummer ist schlimmer als jeder Hausarrest, jede Fünf in Mathe. Liebeskummer ist die Höchststrafe des Seelenlebens.“ Um mit dem enormen Druck, der auf ihnen lastet, fertig zu werden, greifen nicht wenige zu nicht geeigneten Verhaltensweisen wie Missbrauch von Alkohol, psychoaktiven Substanzen oder Medien, zu selbstverletzendem Verhalten oder sie versuchen, sich sogar das Leben zu nehmen. „Ich wollte leben, aber nicht so, wie mein Leben gerade lief. Deswegen habe ich mir Gedanken über den Tod gemacht. Ich war wie ferngesteuert und oft nicht in der Lage, klar zu denken. Ich habe mir immer jemanden gewünscht, der mich an der Hand nimmt und mit mir den Weg aus dem ganzen Chaos gemeinsam geht“, erzählt die 19-jährige Tamara. Wege aus der Krise In Krisensituationen ist es geboten, sich Unterstützung zu suchen. Das kann das Gespräch mit Vertrauten, Freunden oder Bekannten sein oder die Inanspruchnahme professioneller Hilfe. Professionelle Hilfe ist vor allem dann notwendig, wenn die Betroffenen keinen Ausweg mehr aus ihrer Situation sehen und sie nicht in der Lage sind, eigene Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Wenn die Betroffenen Selbstmordgedanken äußern, ist sofort und unabdingbar professionelle Hilfe notwendig.

Schützendes Umfeld

Für Kinder und Jugendliche ist es wichtig, dass sie ein Umfeld erleben, das sie so annimmt, wie sie sind und ihnen gleichzeitig Sicherheit, Geborgenheit und Hoffnung vermittelt. Da Kindern und vielen Jugendlichen oft die passenden Bewältigungsstrategien fehlen, brauchen sie Bezugspersonen, die mit ihnen über ihre Probleme, ihre Trauer, ihren Kummer, ihren Schmerz und ihre Wut sprechen. Menschen, die sie ernst nehmen und ihnen vorzeigen, wie sie mit schwierigen Situationen umgehen können. Oft reicht es aus, da zu sein und zuzuhören. Krisen gehören zum Leben Daher sollten wir laut Verena Kast versuchen „… die Menschen grundsätzlich krisengewohnter, krisenbewusster und krisenfreundlicher zu machen.“ Dazu braucht es die Fähigkeit, mit Gefühlen wie Angst, Wut und Trauer, aber auch mit Konflikten und Stress umzugehen. „Damit können wir bereits im Kindesalter beginnen“, zeigt sich Heidi Achammer von der SUPRO überzeugt, „indem wir Kinder in der Entwicklung dieser Fähigkeiten fördern und sie damit befähigen, den Herausforderungen des Lebens gestärkt entgegenzutreten.“ Wir können uns die Herausforderungen, die das Leben an uns stellt, nicht aussuchen, aber wir haben Einfluss darauf, wie wir damit umgehen.

 

Weitere Infos auch unter www.bittelebe.at