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Ostern

In der Dynamik zwischen Gründonnerstag und Ostersonntag spielt sich unser ganzes Leben ab

Das Foto wurde von einem Patieten gemacht und uns zur Verfügung gestellt – einen herzlichen Dank!

 

Worte von Thomas Netzer-Krautsieder, Seelsorger im Krankenhaus Maria Ebene

Es beginnt mit dem Wunsch: „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“ (Matthäus 26,42) Am Anfang steht gerne der Versuch, um eine Sache einen Bogen zu machen und sich drum herum zu drücken, vor allem wenn der Verdacht naheliegt, dass die Sache unangenehme oder zumindest schwierig wird.

Das Ringen

Dieser Wunsch bildet den Auftakt der Kartage auf Ostern hin. Der Name leitet sich vom althochdeutschen „kara“ ab und bedeutet Klage, Kummer und Trauer. In der Nacht vor seiner Verhaftung klagt auch Jesus und ringt mit dem Unausweichlichen. Seine Jünger sind eingeschlafen und er ist allein im Olivenhain von Getsemani ein bisschen außerhalb der Stadt. Hier könnte er auch leicht abhauen und sich in der nahen Wüste verstecken. Dort würde man nicht so schnell nach ihm suchen. Was hindert ihn, sich von der Stadt Jerusalem zu entfernen, wo sich die Situation zuletzt so zugespitzt hatte? „Mein Vater, ist's nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille!“ (Mathäus 26,42) So klingt das Ringen eines Menschen, der sich nicht einfach so aus dem Staub machen möchte, dem der Gedanke daran aber sehr wohl in den Sinn kommt.

Keine Erlösung am Kreuz vorbei

Jeder/Jedem ist diese Versuchung bekannt, sich um etwas Schwieriges herum zu drücken. Muss das wirklich sein, oder kann ich mich nocheinmal dran vorbei schummeln und den Hinterausgang nehmen? „Na, den Kerl möcht ich sehen, der nicht vom Kreuz runter will …“ lässt Ernest Hemingway in der Kurzgeschichte „Heute ist Freitag“ den römischen Soldaten abends in der Weinkneipe den Tag Revue passieren, an dem Jesus gestorben ist. Angesicht der grenzenlosen Brutalität der Kreuzigung im römischen Reich ist das nur zu verständlich. Wenn wir heute davon reden, dass jeder/jede sein/ihr Kreuz tragen soll, so ist nicht mehr die scheußliche Hinrichtungsform gemeint, die ja längst abgeschafft ist, sondern es ist symbolisch gemeint, läuft aber immer noch Gefahr als fromme Selbstgeißelung missverstanden zu werden. Man muss sich überhaupt kein „Kreuz“ suchen, denn wer nüchtern auf sein Leben blickt, wir das eine oder andere persönliche „Kreuz“ finden. Und dem nicht auszuweichen, was ohnehin meist nichts nützt, sondern sich dem zu stellen damit es angenommen und letztendlich gelöst werde kann, das ist gemeint, wenn wir sagen: Es gilt „sein Kreuz zu tragen“ und letztendlich sogar „durch ein Kreuz hindurch erlöst“ zu werden.

Durchnässt bis auf die Herzhaut

Es gibt den verständlichen Wunsch, das Leben möge es nur gut mit einem meinen und keine Unwägbarkeiten bringen. Meist verläuft es aber anders und es gibt den einen oder anderen Schicksalsschlag im Laufe jeden Lebens. Die Dichterin Hilde Domin drückt es so aus, dass wir „eingetaucht und mit den Wassern der Sintflut gewaschen werden. Wir werden durchnässt bis auf die Herzhaut.“ 

Lesen Sie weiter das Gedicht "Bitte"von Hilde Domin (externer Link)

Die 1909 in Köln geborene Jüdin studierte in mehreren Städten in Deutschland Jura, Philosophie und Nationalökonomie und ging zusammen mit ihrem Mann nach Italien, das mit Hitlers Machtergreifung für sie zum Exil wurde. Von dort ging es während des Krieges weiter nach England und schließlich nach Santo Domingo in der Karibik. 1954 kehrt sie nach ganzen 22 Jahren im Exil wieder zurück nach Deutschland. Die traumatisierende Verfolgungs- und Exilerfahrung wird prägend für ihre Gedichte, in denen es immer wieder um die Annahme des eigenen Schicksals geht.

Der Wunsch verschont zu werden taugt nicht

Natürlich haben wir alle die Wünsche nicht in Tränen aufzugehen, den Blütenanfang – den wunderschönen Augenblick des ersten Aufgehens einer Blüte - zu halten, und ganz einfach verschont zu bleiben. Aber alle diese Wünsche taugen nicht, sagt Hilde Domin. Sie hat es in ihrem Leben erfahren und auch jede/jeder von uns wird – die einen weniger, die anderen ums mehr – ihr beipflichten. Es ist die radikale Erfahrung des Karfreitag und Karsamstag, die man/frau nur noch als Gottferne empfinden kann. Wo ist jetzt Hilfe? Wo ist Sinn? Das Leben scheint nicht mehr weiterzugehen.

Es taugt die Bitte …

Sich dieser Hoffnungslosigkeit zu stellen ist schier unmöglich. Es ist der Punkt, wo ein Mensch einfach machtlos ist und nur noch eine Bitte hinhalten kann. Hilde Domin greift im Bitten Bilder aus der Bibel auf: Die Taube, die bei Sonnenaufgang den Zweig vom Ölbaum bringt, signalisiert dem Noah in seiner Arche, dass es nach der Sintflut irgendwo wieder Land geben muss uns somit nach der Katastrophe neues Leben möglich ist. Oder das poetische Bild, dass die abgefallenen Rosenblätter am Boden eine leuchtende Krone bilden mögen oder die Frucht genau so bunt wie die abgefallene Blüte sein möge.

Geschenk – nicht machbar

In den biblischen Erzählungen beginnt der Ostermorgen mit einer Verunsicherung. Es ist zunächst einmal anders als erwartet. Die beiden Marias, nämlich die Mutter Jesu und auch Maria aus dem Dorf Magdala, die Jesus seinerzeit geheilt hatte und die daraufhin als treue Jüngerin ihm gefolgt war – gehen zum Grab und wollen den Leichnam salben. Aber der Leichnam ist nicht da, das Grab ist leer und sie vernehmen von einer Engelsgestalt das Unfassbare: Jesus lebt! Mit dieser Botschaft war überhaupt nicht zu rechnen und man/frau muss auch dafür offen sein, was bei den Frauen früher der Fall gewesen sein dürfte als bei den Männern, die zur gleichen Zeit sich noch aus Angst hinter verschlossenen Türen verbarrikadierten.
Die Überraschung ist groß und sie ist jedenfalls nicht machbar. Es ist ein Geschenk an diejenigen, die die Katastrophe irgendwie durchgegangen sind und dran geblieben sind. Selten wird es so klar: Mehr als eine Sache durchgehen und dran bleiben kann ein Mensch nicht tun. Alles andere liegt nicht in seinen Händen und ist ein Geschenk oder eben eine Gnade – so das theologische Wort.

 

… immer versehrter und immer heiler …

Hilde Domin fährt fort in den biblischen Bildern zu bitten: Dass wir aus der Löwengrube (Der Prophet Daniel verweigert die Anbetung anderer Götter und wird in eine Grube mit Löwen eingesperrt. Er überlebt unverletzt, weil er auf seinen Gott vertraut hat.) und dem feurigen Ofen (Daniels Freunde hatten sich geweigert das goldene Gottesbild des Königs anzubeten und werden zur Strafe in den Feuerofen geworfen. Sie bleiben unversehrt, weil ein Engel des Herrn die Flammen heraustreibt.) stets von neuem zu uns selbst entlassen werden, wobei wir dabei „immer versehrter und immer heiler“ werden. Nur eine Dichterin kann es in ihrer Poesie so berührend ausdrücken. Das Wort versehrt ist aus dem gängigen Sprachgebrauch verschwunden. Es gibt allerdings ganz offiziell eine Versehrtenrente durch die AUVA, nämlich dann wenn ein Mensch durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist oder eine dadurch verursachte Behinderung hat. Synonyme für versehrt sind verletzt, lädiert, behindert oder gehandicapt und es ist ein starkes Bild zu sagen, dass man/frau zugleich „immer versehrter und immer heiler“ werden kann und das kein Widerspruch sein muss. Denn es ist eine vielfach gemachte Erfahrung, dass wir Menschen nicht immer unversehrt durchs Leben kommen. Da passieren Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben und die uns übel mitspielen können. Ist es nicht ein starkes und Hoffnung stiftendes Bild, dass wir „stets von neuem immer versehrter und immer heiler zu uns selbst entlassen werden“?