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Aktiv aus der Sucht

Bewegung und Sport bei Suchterkrankungen

Von Philipp Zauner, M.A.
Sporttherapeut im Krankenhaus Maria Ebene

Regelmäßige Bewegung ist eine der wirksamsten und wichtigsten Maßnahmen, die Menschen ergreifen können, um ihre Gesundheit auf vielen Ebenen zu verbessern. Bereits Aristoteles (384 bis 322 v. Chr.) würdigte die „Gymnastik“ als allgemein körperlich wohltuend und der römische Dichter Juvenal (etwa 60 bis 140 n. Chr.) fand es wünschenswert, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper sei.

Bewegungs- und sporttherapeutische Interventionen nehmen einen zunehmend größeren Raum bei der Therapie von Suchtkranken ein und gehören in vielen stationären, therapeutischen Suchthilfe-Einrichtungen zum grundlegenden Bestandteil des Behandlungskonzepts. Die Wirksamkeit der Bewegungs- und Sporttherapie zur Behandlung der Substanzabhängigkeit konnte in mehreren Untersuchungen nachgewiesen werden.

Chinesische Forscher um Wang, D. et al. gingen in einer Metaanalyse aus dem Jahr 2014 der Frage nach, ob eine regelmäßige sportliche Aktivität eine potenziell wirksame, ergänzende Therapiemaßnahme bei Entzug von Alkohol, Nikotin und illegalen Drogen sein kann.

Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass Entzugsbehandlungen, die körperliche Aktivität beinhalten, die Abstinenzrate effektiv erhöhen, Entzugssymptome lindern, sowie zudem Angstzustände und Depressionen stärker reduzieren können, als Behandlungen ohne körperliche Aktivität. Dabei gibt es keinen signifikanten Unterschied, in welcher Intensitätsstufe die körperliche Betätigung durchgeführt wird. Fernöstliche Sportarten, wie Qi Gong, Tai Chi oder Yoga verbessern die Abstinenzrate in gleichem Maße wie klassische Ausdauersportarten.

Es kommt also nicht so sehr darauf an, sich körperlich zu verausgaben, vielmehr scheint es wichtig zu sein, generell Körper und Geist zu aktivieren, um den Drogenentzug effektiv zu unterstützen.

Deimel (2011) berichtet von Studien zur Wirkung von bewegungstherapeutischen Maßnahmen, die einen Zugewinn an Selbstwert und Selbstvertrauen, sowie ein verbessertes Körper- und Selbstkonzept feststellen konnten. Des Weiteren wurden eine verbesserte Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, sowie ein allgemein besserer Gesundheitszustand erreicht.

Sport kann positive Gefühle wie Lust und Freude vermitteln. Viele Patienten und Patientinnen werden durch Bewegung motiviert und begeistert, entdecken für sich eine neue Sportart, lernen ihren Körper besser kennen und steigern ihr Wohlbefinden. Auch die Lebensgestaltung kann durch Sport entscheidend verändert werden. Sport als soziale und Spaß bringende Aktivität kann als sinnvolle Freizeitbeschäftigung wahrgenommen werden.

Vor allem der Aufbau bzw. die Wiederherstellung der körperlichen Funktionstüchtigkeit, altersbedingter Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit, sowie die positive Beeinflussung psychosomatischer Befindlichkeitsstörungen scheinen die wesentlichen Effekte durch Sport und Bewegung bei Suchterkrankungen zu sein (vgl. Brooks, 2005).

Es konnte sogar nachgewiesen werden, dass die erhöhte Aktivität durch Sport, ähnlich wie Alkohol, das dopaminerge System anspricht und damit eine funktionale Alternative zum Alkoholkonsum darstellen kann.

In der Sporttherapie werden die körperlichen, emotionalen, geistigen und sozialen Elemente zu einem ganzheitlichen Erleben zusammengeführt. Bewegungstherapeutische Maßnahmen führen also zu einer Verbesserung physischer und psychischer Parameter – Sport stärkt Körper und Seele.

 

Prof. Wildor Hollmann, einer der renommiertesten Sportmediziner Deutschlands, bringt es auf den Punkt:

„Es gibt kein Medikament und keine Maßnahme, die einen vergleichbaren Effekt hat wie das körperliche Training. Gäbe es ein solches Medikament mit solch hervorragenden Wirkungen und quasi ohne Nebenwirkungen, wäre jeder Arzt gehalten, es zu verschreiben.“