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Wertschätzung und Sucht

Interview mit Prof. Dr. Reinhard Haller zum Thema Wertschätzung

Interview mit Univ.-Prof. Dr. Reinhard Haller zum Thema Wertschätzung.
Das ganze Interview zum Buch finden Sie im Friends of ME Newsletter Nr. 47

Der langjährige Chefarzt der Stiftung Maria Ebene, Univ. Prof. Dr. Reinhard Haller, hat mit seinem neuesten Werk „Das Wunder der Wertschätzung“ einen internationalen Sachbuchbestseller gelandet. Wir sprachen mit ihm über das Bedürfnis der Menschen nach Anerkennung und über die Frage, was Wertschätzung mit Sucht zu tun hat.

 

Was hat Wertschätzung mit Sucht zu tun?

Sehr viel. Wenn der Mensch keine positive Zuwendung bekommt, wird er unter Kontaktängsten oder Zweifeln an sich selbst leiden und dann versuchen, diese negativen Gefühle mit berauschenden Mitteln zu kompensieren. Diese geben uns ja das Gefühl, wichtig und anerkannt zu sein, allerdings oft für den Preis der Gewöhnung und Abhängigkeit. Und wenn jemand, der den ganzen Tag hart gearbeitet hat und nie ein Lob bekommt, am Feierabend einen drauf macht und sich dadurch selbst belohnt, ist das nur allzu verständlich. Auch in der Suchttherapie ist Wertschätzung von enormer Wichtigkeit. Einerseits, in dem man den süchtigen Menschen, die ohnehin voller Schuldgefühle sind, ähnlich wertschätzend begegnet wie körperlich Kranken. Andererseits, in dem die Betroffenen sich durch die Befreiung aus der Abhängigkeit wieder (Selbst)Respekt verschaffen. All jenen, die ihre Sucht überwinden und es schaff en, in einer süchtigen Gesellschaft abstinent zu leben, kann man ohnehin nicht genug Wertschätzung entgegen bringen.

 

Wie kann in der Gesellschaft wieder ein Klima der Wertschätzung entstehen?

Indem jeder einzelne sich um eine wertschätzende Grundhaltung bemüht und im mitmenschlichen Umgang Wertschätzung lebt. Dazu sind Aufgeschlossenheit, Achtsamkeit, Toleranz, Einfühlungsvermögen und sogenannte Feedbackkompetenz - die Fähigkeit, richtig kritisieren und loben zu können - erforderlich. Bei jeder Begegnung mit einem Mitmenschen muss man davon ausgehen, dass dieser wertgeschätzt werden will und ein tiefes Bedürfnis nach Anerkennung hat, genauso wie wir selbst. Stets müssen wir uns vor Augen halten, dass nur diejenigen wertschätzen können, die genügend Selbstwert haben, die souverän und selbstsicher sind. Schließlich ist zu bedenken, dass Wertschätzung anderer fast immer zurückkommt, und zwar mit Zinsen. Das Wort eines Schweizer Philosophen bringt es auf den Punkt: „Weniger werten und mehr wertschätzen führt zum Mehrwert für alle.“